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Was haben Johee und Mummerie mit dem Kloster zu tun?

4. Dezember 2024 – Die Mitte Einsiedeln lud am Hafächabis-Oubig nebst dem kulinarischen Genuss auch zu einem spannenden Referat im Zunfthaus Bären ein. Der Landschreiber, Dr. Patrick Schönbächler, erläuterte in seinem einstündigen Vortrag die äusserst hörenswerte Geschichte zur Entwicklung des Dorfes im Umfeld des Klosters.

Neben der wichtigen Rolle, die das wohlwollende Kloster als Wirtschaftstreiber für das Dorf spielte, war es auch schon beinahe ein Motor für die Entwicklung von Kunsthandwerk, Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport. Nicht zuletzt dank dem Kloster war Einsiedeln in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das St. Moritz oder Cannes der damaligen Zeit.

Aber wie kam es dazu? Dass im Kloster bereits 1830 mit der gerade aufgekommenen Fotografie experimentiert wurde und schon 1948 in den öffentlichen Volksbildungskursen Experimentalvorträge zu Radio und Fernsehen abgehalten wurden – was am 25. März 1952 gipfelte im ersten Fernsehbild in Einsiedeln, das im Kloster über einen Bildschirm flimmerte – sind Ereignisse der neueren Zeit. Es zeigt aber doch, wie das Kloster am Puls der Zeit und der Bevölkerung durchaus wohlgesinnt war.

Begonnen hatte es jedoch rund 1100 Jahre vorher. Nach der Ermordung von Meinrad 861 kam rund 40 Jahre später Domherr Benno von Strassburg in den Finsteren Wald. Mit zahlreichen Handwerkern und deren Familien liess er sich nieder, sie machten das Land ur- und bewohnbar. Das Land wurde hauptsächlich auf drei Arten aufgeteilt: in Lehen (den Bewohnern zur eigenen Bebauung überlassenes Land), Schweigen (vom Kloster errichtete Höfe, welche es für die Bewirtschafter mit Vieh ausstattete; darauf dürften im Wesentlichen die heutigen Viertel zurückgeführt werden) und Allmeind (von Waldleuten und Kloster gemeinsam genutztes Land, womit der Grundstein für die späteren Genossamen gelegt wurde).

Mitte des 14. Jahrhunderts kam es zum Marchenstreit zwischen dem Kloster und den Waldleuten, welche inzwischen zur Dorfgemeinschaft geworden waren. Dem Kloster wurden Rechte genommen und mit der Besetzung der Waldstatt 1386 durch die Schwyzer wurde es noch mehr entmachtet. Trotzdem hat es sich dabei selten den Bedürfnissen des Dorfes und der Waldleute entgegengestellt und war ihnen wohlwollend gesonnen. Wege, Stege, Brücken und Bauten der Waldleute (Rathaus, Chärnehus) hatte man dadurch bauen können.

Doch dann mit der Besetzung der Waldstatt 1798 durch die Franzosen hatte die Grundherrschaft des Klosters geendet, die Munizipalität (Gemeinde) Einsiedeln ist eingesetzt worden. Als 1803 Abt und Mönche aus dem Exil zurückkehrten, wollte man sie nicht mehr auf ihr Land lassen. Die Hungersnot 1816 nötigte dann jedoch die Waldleute zur Wiedereinsetzung des Klosters.

Und der Bezirk? Da im Bezirk neu alle politisch gleichberechtigt waren, wollte man die Pfründe der Allmeind unter dem Kloster und den alteingesessenen Waldleuten (der Genossenschaft Einsiedeln, woraus sich 1848 die Genossamen bildeten) aufteilen und sichern. Dem Bezirk überliess man mehr oder weniger Strassen, Plätze, das Rathaus, das Chärnehus sowie zwei unrentable Waschhütten.

Das Kloster selber war durch die Aufteilung wirtschaftlich in einen ganz anderen Stand versetzt worden. Da kam die aufkommende Wallfahrt wie gerufen. Der Märtyrertod von Meinrad, die Engelweihe, die Verehrung der Gottesmutter, päpstliche Privilegien und so weiter liess das Dorf zu einem Zentrum für Pilger werden. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts besuchten jährlich 42’000 bis 260’000 Pilger Einsiedeln, regelmässig auch Adel und Prominenz. Als «wandelnde Geldscheine» verliehen sie dem 3000- bis 8000-Seelen-Dorf einen gewissen «Glamour», der durchaus mit dem heutigen St. Moritz vergleichbar war. Die Wallfahrt hat zu einer gewaltigen Diversifizierung im Dorf geführt. Aus Bauern und Handwerkern sind auch Gastwirte, Hersteller von Devotionalien und Krämer geworden.

Mit dem Ruhm Einsiedelns wurde auch das Wappen – die zwei Raben – in die Welt hinausgetragen. Das Wappen war seit Anfang des 15. Jahrhunderts im offiziellen Gebrauch. Die zwei Raben versinnbildlichen den Märtyrertod von Meinrad durch zwei Mörder. Die Raben wurden zu einem einfach verständlichen Label, wie geschaffen für einen Wallfahrtsort.

Mit der Wallfahrt kam auch Wohlstand ins Dorf. Allerdings haben Fürstabt und Kloster auch in Wirtschaft und Gewerbe im Dorf eingegriffen. Das Kloster war der grösste Arbeitgeber der Region, in vielen Bereichen hatte es gar eine Monopolstellung. Mitte des 18. Jahrhunderts zählte man in Einsiedeln 20 Bäckereien, 10 Metzger, 61 Wirtshäuser, 14 Weinschenken, 21 Weber und Schneider sowie diverse Schuhmacher. Komplettiert wurde das Angebot mit sechs Mühlen, vier Sägereien, drei Schmieden, einem Gerber, einer Ziegelhütte und einer Apotheke. Verschiedene Handwerker haben sich zu Zünften vereinigt, seit 1731 gibt es die vier heute noch bestehenden Zünfte.

Immer hatte der Fürstabt und das Kloster das Wohlergehen des Dorfes im Auge und traf auch gezielt Massnahmen gegen die Verarmung und Bettelei. Der Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Dorfes verblasste dann aber mit der Verankerung der Niederlassungs-, der Handels- und Gewerbefreiheit in der Schwyzer Kantonsverfassung zu Beginn des 19. Jahrhunderts; die Bedeutung als Wirtschaftsfaktor aber ist geblieben.

Nicht zuletzt hatte das Kloster auch die Förderung der Landwirtschaft zum Ziel. Einsiedeln gilt dank dem Kloster auch als Ursprungsort des Schweizerischen Braunviehs. Das Vieh erfreute sich grosser Beliebtheit in Italien, Deutschland und Frankreich. Damit bekannt wurden auch die «Welschlandfahrten». Bauern und Sennen, die auf die Viehmärkte in der Fremde zogen. Die einen sind mit viel Geld zurückgekehrt, die andern mit weniger. Letztere haben es zu einer Fasnachtsfigur gebracht – den Johee; die Mummerie waren entsprechende Pferdehändler.

Nach der geballten Ladung an Informationen und der Beantwortung von Fragen durften die Anwesenden dann den feinen Hafächabis aus der Bärenküche geniessen und noch etwas in der Nostalgie Einsiedelns schwelgen.

 

Foto: Patrick Schönbächler referierte anschaulich zum Thema «Das Kloster Einsiedeln und die Entwicklung des Dorfes».

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